Suomalainen Soutu-(Finnisch Rudern)

Eine bunt zusammen gewürfelte Truppe aus deutschen und österreichischen Vereinen – von Hamburg bis Bayern, von Klosterneuburg bis Wallsee – trifft sich im Heimatland der Kirchboote: Finnland. Im Ruderclub von Lappeenranta warten zwei dieser Klinkerboote auf ihren Einsatz. Es braucht 14 Ruderer, die sich in Zweierreihen in die Riemen hängen, und einen Steuermann, um das breite, stabile Boot über den Saimaa, den viertgrößten See Europas, zu rudern. Schwere Holzruder werden auf einen gekrümmten Metallstift gesteckt, ohne drehen der Ruder, ohne verstellbare Stemmbretter und mit sehr kurzen Rollschienen beginnt das etwas andere Rudervergnügen.

Unzählige bewaldete Inseln prägen die Landschaft, durch die in längst vergangenen Zeiten die Finnen im Sonntagsgewand über den See zum Kirchgang ruderten, weil die Landwege nicht ausgebaut waren.

Für uns carbonfaserverwöhnte Ruderer des 21. Jahrhunderts hat das Kirchbootfahren etwas Galeerenartiges, auch wenn der Sklaventreiber ein kleines Durchsetzungsproblem hat. Schon im Vierer gibt es zu viele Meinungen im einem Boot. Aber Demokratie bei 15 Bootsinsassen ist unmöglich und trotzdem redet jeder drein. So wird die morgens ausgegebene Devise „Zusammenwarten“ schnell über Bord geworfen. Das rot-weiß-rot besetzte Kirchboot dreht ein paar Zusatzrunden um die lieblichen Inseln mit roten Holzhäuschen, während das Kirchboot unter der strengen hanseatischen Fahrtenleitung weit abgeschlagen zurück bleibt. Die nationale Besetzungspolitik muss bei der nächsten Ausfahrt überarbeitet werden.

Tatsächlich stellt sich heraus, dass das Problem nicht die Nationalität, sondern die Länge der Riemen war, denn die Rudergriffe stießen zusammen und erschwerten das Rudern. Der lösungsorientierte Zeugwart des finnischen Ruderclubs rückt mit der Säge an und im Nu sind die Ruder kürzer. Erst da fällt ihm auf, dass die langen Ruder eigentlich zum anderen Boot gehören. Das sollte aber nicht der einzige Schaden bleiben.

Denn diese Kirchboote verleiten zum Plaudern: man sitzt gemütlich nebeneinander, Ellenbogen an Ellenbogen, das Wasser ist spiegelglatt, der Himmel wolkenlos, der Steuermann erzählt seine Lebensgeschichte, fehlen nur Café und Kuchen. Da kann man im intensiven Gespräch schon mal vergessen, dass eigentlich Rudern angesagt ist und – zack – Kollission und Ruderblatt ab. Die Steuerbordseite muss jetzt mit 6 Spielern auskommen.

Bei dem aktuell niedrigen Wasserstand des Saimaa sitzen wir schneller auf, als vom Bug „Vorsicht Stein“ ins steuermännliche Ohr dringt. Die Durchfahrten sind kaum breiter als das Boot und schon ist eine Halterung verbogen.

Der Ruderclub wird sich überlegen, ob er die Boote nochmal herborgt…

Aber kein Schaden, der nicht wieder zurechtgehämmert werden kann. Den herrlichen Ausfahrten tun diese kleinen Hindernisse keinen Abbruch. Wir befahren den Saimaa-Kanal, der Lappeenranta durch eine künstliche Wasserstraße mit dem russischen Wyborg und dem finnischen Meerbusen verbindet, drehen aber rechtzeitig um, bevor wir irrtümlich in Rußland landen, schlängeln uns zwischen Mikonsaari und Viipuri durch, pausieren in Sudensalmi – und werden uns diese Namen doch nicht lange merken können.

In den Top-10-Listen der Must Do’s in Finnland rangiert Saunieren ganz oben. Selbstverständlich bietet auch das Hotel am See eine Sauna: „Nåjaa!“ denkt sich der vom Riemenrudern einseitig verbogene, Song-Contest-verbildete Ruderer: Yksi, kaksi, kolme Sauna! Aber die hat nur zwischen 19.00 und 21.00 Uhr geöffnet und kollidiert mit dem gemeinschaftlichen Abendessen. Da müssen wir klare Prioritäten setzen. Die finnische Küche ist zu reichhaltig und schmackhaft, um auch nur ein Essen auszulassen, was uns an sich ganz gut täte.

Statt schwitzen bei 100° wählen wir das andere Ende der Temperaturskala und hüpfen nach den Rudertouren in den 16° kalten Saimaa. Kryo ist auch gesund.

Nach vier Tagen selbst rudern, shippern wir gemächlich mit dem Motorboot noch einmal auf unseren Spuren und schlürfen Café und Lachssuppe dazu. Wenn man in einem Ruderleben nur alle Inseln des Saimaa umrundet und die Küstenlinie ausfährt, hat man den Äquatorpreis in der Tasche. In dieser Ruderwoche schaffen wir allerdings nur 160 dieser 44.000 km – die Motorboot-Kilometer selbstverständlich nicht mitgezählt.

Am letzten Tag kehrt Ruhe im Boot ein. Es ist alles gesagt und nur der Saimaa spricht leise plätschernd zu uns.

Statistik:
Organisation: Hans-Heinrich Busse (RG Hansa Hamburg)
28 Ruderer:innen
2 Steuermänner
1 Begleitung
2 Kirchboote
3 Gelsen
160 geruderte Kilometer