Bericht über die französischen Langstreckenmeisterschaften voller Emotionen

Es ist mir ein Bedürfnis, über das Wochenende vom 4. & 5. März zu berichten. Da fanden in Mâcon auf dem Fluss Saône die französischen Langstreckenmeisterschaften über eine Distanz von 8 km statt.

Die Bewerbe waren für Frauen, Männer und Mixed-Boote in 4 verschiedenen Bootskategorien (2x, 4x, 4-, 8+) und Altersklassen (Junioren, Senioren sowie Masters C & E) ausgeschrieben. Insgesamt stellten 115 Vereine 498 Mannschaften mit 1500 Ruderinnen und Ruderern.

Zur Veranschaulichung:

Im M8+ (Altersklasse Senioren und Masters C & E) starteten 36 Boote. Bei den Frauen waren es 17 Achter und bei den Masters C & E Mixed-Mannschaften 18. Dazu kamen noch jeweils 7 Juniorenachter und 7 Juniorinnenachter. Im 4- ein ähnliches Bild: 13 JM 4-, 14 Mastersboote und 17 Seniorenmannschaften. Bei den Frauen insgesamt 9 Mannschaften. Das zeigt schon die Breite des Starterfeldes.
Das Wetter war fast ideal. Kein Regen, strahlender Sonnenschein, kühle Temperaturen. In der Früh um den Gefrierpunkt mit Tageshöchstwerten von 10-12 Grad. Der Wind war stark und konstant. Keine Böen.
Die Regattastrecke führt in einem ausgedünnten Albano-System 2000 m lang vom Start bis zu einer Linkskurve, ab dann gibt es zur Orientierung nur mehr eine zentrale Bojenreihe bis zum Wendepunkt nach 4 Kilometern. Die Wende ist mit 3 sehr großen, weißen Bojen in Dreiecksform organisiert. Diese gilt es zu umrunden.
Für mich war das Wochenende sehr emotional, da ich auf dieser Strecke vor 38 Jahren meinen letzten Staatsmeistertitel in Frankreich geholt hatte: Damals, im Juli 1985, wurden wir im Junioren A Achter französischer Staatsmeister. Es sollte das letzte Rennen „unseres“ Achters sein, der 4 Jahre lang zusammen gerudert hatte. Seit damals ist einer von uns verstorben und ein anderer aus der „Meisterschaftsbesetzung“ musste aus gesundheitlichen Gründen (Rückenprobleme) mit dem Rudern aufhören. Unsere jetzige Crew des Cercle Nautique de Versailles (CNV) bestand aus uns 6 ‚Originalruderern‘ komplettiert durch 2 damals schon im Verein rudernde Freunde. Alle 8 sind somit seit über 40 Jahren dem CNV verbunden.

Die Rennen:

Am Sonntag waren die Achter an der Reihe, am Samstag haben wir 2 Vierer ohne gebildet. Einer, CNV1, mit den Freunden, die weiterhin in Paris wohnen und regelmäßig gemeinsam im Vierer trainieren. Ein 2. Vierer mit jenen, die in ganz Frankreich verstreut wohnen und mir, der ich aus Österreich angereist bin. Klarerweise: „mein“ Vierer.
Unsere erste gemeinsame Ausfahrt am Freitagnachmittag endete in einer kleinen Katastrophe. Als Bugmann auf Steuerbord rudernd übersah ich ein Schifffahrtssignal auf einem Metallsteher, welcher sich knapp vor dem Wendepunkt befindet. Mein Riemen hat das nicht überlebt. Zum Glück bekam weder das Boot noch die Ausleger was ab. Trotzdem war es mühsam, denn das „Heckpaar“ musste die 3,5 km alleine zurückrudern, dem „Bugpaar“ wurde kalt und wir mussten einen Ersatzriemen organisieren. Dem Selbstbewusstsein tat das gar nicht gut.

Dafür waren wir 4 am Samstag wild entschlossen, es krachen zu lassen. Als Bugmann wollte ich das Missgeschick vom Vortag unbedingt vermeiden und habe mir den Kopf, vor lauter Herumdrehen während des Rennens, quasi ausgerenkt. Die Starts erfolgten alle 15 Sekunden, jeweils links und rechts in der Bahn mit 3-facher Breite. Bei der 1000 m-Marke hatten wir die direkt vor uns gestartete CNV1-Crew schon eingeholt. Die CNV1-Freunde waren gerade selber dabei, ein vor ihnen ruderndes Boot zu überholen und hatten sich mit diesem etwas mit den Riemen „verstrickt“. Bei der oben angesprochenen Linkskurve hörte ich dann Schreie vom Ufer. Wir waren auf der richtigen Seite, aber als ich mich umdrehte, hatte ich schon die Skulls von einem Richtung Ziel rudernden 4x im Rücken. Zum Glück sind mir nur ein paar blaue Flecken und eine heisere Stimme vor lauter Schimpfen geblieben. Trotzdem kamen wir fast komplett zum Stehen, um einen Bootsschaden abzuwenden.
Der Rest des Rennens war dann eigentlich super. Das Boot lief gut, den Metallsteher passierten wir problemlos und bei der Wende überholten wir ein drittes Boot. 1000 m vor dem Ziel ein Viertes. Wir wussten also, dass wir recht flott unterwegs waren. Trotzdem hätten wir nicht damit gerechnet, das Rennen mit 12,42 Sekunden Vorsprung auf den Zweitplatzierten und 1 Minute 12 Sekunden Vorsprung auf den Drittplatzierten für uns zu entscheiden. Französischer Langstreckenstaatsmeister in der Altersklasse Masters E !!! Ein Wahnsinn!
Zur Einschätzung der Windstärke noch 2 Zahlen. Für die ersten 4000 m gegen den Wind (inklusive Kollision) benötigten wir exakt 3 Minuten 36 Sekunden länger als für die zweite Streckenhälfte, die völlig problemlos ablief.

Am Sonntag verlief der Achter nicht so erfolgreich. Einer der Gründe war sicherlich die Tatsache, dass unsere Freunde vom Boot CNV1 am Vortag? fast 96 Sekunden ausgefasst hatten. Dass dies für die Gruppendynamik nicht ideal ist, brauche ich hier nicht zu erklären. Im Achter war dann unser Rückstand auf den Sieger ziemlich gleich groß wie der Rückstand unserer 4-Freunde am Vortag auf uns. Technisch war es aber ein gutes Rennen, und es hat Spaß gemacht.

Die Eindrücke von diesem Wochenende werden mir noch lange bleiben! Nächstes Jahr werden wir einen Titel zu verteidigen haben. Daher: nach dem Rennen ist vor dem (nächsten) Rennen. Jetzt freue ich mich schon sehr auf weitere Emotionen das Inn River Race mit dem Normannen-Achter und die Langstreckenwettfahrt am Wolfgangsee im 2X. Beide Rennen sind auch wieder voller Emotionen für mich: der Achter mit Willi Stuppan am Bug und der Doppelzweier mit Fritz Kutmon. Meine beiden Betreuer, die mich gemeinsam ‚groß‘ gemacht haben. So geht rudern!

Ruder ahoi !
Euer Thomas