Rheinmarathon 2023

„Der Schmerz geht und der Stolz kommt!“

So steht es als Leitspruch auf der Seite des RC Germania Düsseldorf für den Rheinmarathon, die 42,8 km auf Europas meistbefahrener Wasserstraße, dem Rhein, von Leverkusen bis Düsseldorf.
Die Wettkampfbedingungen sind immer anders und nie gleich. Windgeschwindigkeit, Windrichtung, Sonne, Regen oder auch Nebel, Wasserstand, Strömungsgeschwindigkeit, Wellen und Schiffsverkehr sind jedes Jahr anders und ändern sich oft auch noch während des Rennens.
Was macht die Faszination der Rheinmarathon-Regatta aus, dass sich jedes Jahr aufs Neue hunderte von Ruderern und Ruderinnen aus ganz Europa dieser Herausforderung zu stellen ? Wir werden es herausfinden.

Bevor wir auf dem Rhein wettkampfmäßig rudern, können wir ihn noch beschaulich kennenlernen. Es beginnt mit der Anreise: Ulrike und ich fahren am Donnerstag per Bahn nach Bonn. Die Bahnstrecke führt kurz nach Mainz am Rhein entlang, welcher sich durch die Weinberge windet, auf deren Hängen der Rheinriesling gedeiht. Vorbei geht es an Schotterbänken, den Loreleyfelsen, an Burgen und Ruinen, bis wir bekanntes Terrain sehen: die Bahnstrecke führt über die Moselmündung und wir erblicken das Deutsche Eck. Erinnerungen an die wunderschöne Mosel-Wanderfahrt werden wach. Von Koblenz ist es nicht mehr lange nach Bonn, wo der Zug ewig langsam durchs Bonner Villenviertel fährt, bis wir endlich an unserem Zielbahnhof ankommen.

Beim Bonner Ruderklub 1887 treffen wir den Rest der Crew: Wolfgang und Stefanie aus Regenburg und Peter aus Bonn. Wir inspizieren gleich unser Boot „Lac Léman“, dass uns der Bonner Ruderklub zur Verfügung stellt. Der Bootspark ist für uns Donauruderer sehr interessant, großteils Schellenbacher Boote, fast alle haben Lenzklappen, auf Kielniveau abgeflachte Fuß- und Handsteuer und umgebaute Stemmbrett-Fixierungen mit Federbolzen, die mittels ausgeklügelten Zugleinen mit einem Handgriff gelöst, verschoben und wieder fixiert werden können. Es geht gleich an die Arbeit: die Bug- und Heckabdeckungen werden montiert, die Ausleger ca. 15 cm breit mit durchsichtigem Tesaband abgeklebt (mit 1-2 cm Abstand zum Waschbord, damit das Wasser abrinnen kann) und eine elektrische Lenzpumpe mit Batterie installiert. Jetzt ist unser Boot fit für den Rheinmarathon!

Am nächsten Tag rudern wir von Bonn nach Leverkusen und können den Rhein und seine Schifffahrt ohne Wettkampfbedingungen kennenlernen. Da Peter am Freitag arbeiten muss, wird er durch Ricarda vertreten. Der Rhein hat Niedrigwasser, sodass breite Schotterbänke die Ufer säumen und das Fahrwasser in seiner Breite eingeschränkt ist. Der Schiffsverkehr wird dichter je näher wir den Industriegebieten und Hafenanlagen von Köln kommen, sodass wir die Taktik der Großschifffahrt studieren können. Besonders interessant ist der Wechsel von rechts- auf Linksverkehr, der durch eine große blaue Tafel mit Blinklicht auf der Steuerbordseite angezeigt wird. Wenn auf Rechtsverkehr zurückgekreuzt wird, wird die Tafel wieder weggeklappt.
Nach der Mittagspause in Porz bietet uns die Durchfahrt durch Köln einen herrlichen Blick auf den Kölner Dom und die modernen Gebäude am linken Rheinufer und erinnert etwas an die Elbe bei Dresden: Sehenswürdigkeiten, viele Brücken, Ausflugsschiffe und Wellen.

Am Nachmittag kommen wir in Leverkusen an und legen unser Boot neben vielen anderen im Ruderklub RTHC Bayer Leverkusen ab. Wir sehen im Bootshaus, dass man den Dollenschutz mit Tennisbällen noch perfektionieren kann, und bewundern das Ruderbecken im Keller des Klubgebäudes. Nach einer Stärkung im Klubrestaurant fahren wir nach Düsseldorf in unser Quartier.

Am nächsten Tag lernen wir die perfekte Organisation des Rheinmarathons kennen: wir werden um 7:30 mit einem Shuttle-Bus vom Düsseldorfer Ruderklub nach Leverkusen zum Start gebracht, wo schon emsiges Treiben herrscht. Nach der allgemeinen Sicherheitsbelehrung für Bootsleute und Steuerleute, in der auf die Regeln hingewiesen wird, insbesondere die Schifffahrt nicht zu behindern („auch die Kapitäne sind nervös, wenn ihnen 162 Ruderboote entgegenkommen“) geht um 9 Uhr das erste Boot an den Start. Unsere Startnummer ist 38 und die Startzeit 9:55. Alle 162 genannten Boote werden zwischen 9 und 13 Uhr im 90 Sekundenabstand aufs Wasser gebracht. 3 Bootswagen stehen bereit, mit denen die Boote zum Floß gebracht werden. Die folgenden 3 Startnummern schicken Ruderer mit, die die Bootswagen wieder zum Sattelplatz zurückholen. So geht es Zug um Zug, ebenso beim Floß, wo die Boote auf Keile gelegt werden, damit die Steuer nicht beschädigt werden.

Wie wir unser Boot zum Floß führen, steigt die Nervosität, wir sehen die Boote mit den Startnummern vor uns ablegen und zum fliegenden Start beschleunigen. Skull hinuntertragen, Boot einsetzen, wir steigen ein: Stefanie am Bug, dann Ulrike, Peter, Wolfgang auf Schlag und ich als Senior auf dem Steuerplatz, als Renngemeinschaft Bonner-Ruderverein und Regensburger Ruderklub. Wir machen noch ein paar Probeschläge flussaufwärts, wenden die „Lac Lemán“ und rudern am Startzelt vorbei. Der Rhein ist anfangs gnädig, langgezogene Kurven, ein Fähre, die gerade am Ufer angelegt hat, und wenig Schiffsverkehr. Die ersten 10 km vergehen wie im Flug. Doch wir nähern uns allmählich wieder Industriegebieten und Hafenanlagen. Es kommen engere Kurven, hinter denen man langsam die Bergfahrer auftauchen sieht. Hinter der Schotterbank zuerst das Cockpit, dann langsam den ganzen Schiffsrumpf. Ist die blaue Tafel draußen oder nicht? Kann ich in die Außenkurve gehen, um die höhere Strömung zu nutzen, oder muss ich mittig bleiben? Besonders schwierig wird es, die Situation einzuschätzen, wenn es zu Überholmanövern kommt. Es ist gut, dass wir auf der richtigen Seite sind, als ein Talfahrer zwischen 2 Bergfahrern talwärts fährt!
Nach 30 km, wir sind schon ca. 2 Stunden unterwegs, wird zum ersten Mal getrunken, 3 rudern abwechselnd weiter, und der Reihe nach wird getrunken und eine Tube Energydrink in den Mund gedrückt.
Auf den letzten 10 km gibt es noch 2 enge Rheinkurven, die uns den immer stärker aufkommenden Westwind spüren lassen, wenn es Richtung Westen geht. Bei der ersten Düsseldorfer Autobahnbrücke sind es noch ca. 3 km zum Ziel, bei der 2. noch 800 m, zum Schluss wird es noch einmal heftig, 2 Talfahrer und 4 Bergfahrer, aber wir meistern auch diese Wellen. Als wir das Zielsignal hören, lassen alle kurz erschöpft die Ruder fallen, und wir sind glücklich, dass wir es geschafft haben. Wir wenden, spüren die starke Strömung und rudern zum Zielfloß, das immer wieder von den hohen Wellen überflutet wird. Gott sei Dank gibt es hier viele Helfer, die mit anpacken und helfen, die Boote aus dem Wasser zu holen.

Wir sind erstaunt, dass wir es so gut geschafft haben, in 2 Stunden 40 Minuten den Rheinmarathon zu bewältigen. Umso größer ist die Freude, dass wir in unserer Bootsklasse (Mix 55-60 Jahre) den 3. Platz belegen und aufs Podest dürfen. Und statistisch gesehen, haben wir mit unserer Zeit von 162 Booten die 81. Platzierung erreicht.

Als Belohnung gibt es ein deftiges Abendessen in der Düsseldorfer Altstadt und ein paar Getränke auf der legendären After-Marathon-Party, bei der die irischen Teilnehmer ihre Volkslieder schmettern.
Der Rhein sieht uns sicher wieder, ob bei einer Wanderfahrt oder wieder beim Marathon? Die Zukunft wird es weisen.

Walter, 31.10.2023

Fotos: Walter, Wolfgang, Paul Hense (Düsseldorfer Ruderklub)