Wanderfahrt Elbe 2022

Die Elbe – der Name lässt Bilder vom Nebel verhangenen Fluss entstehen, der durch Mittelerden fließt, an dem das stolze, schlanke Elbenvolk seine weißen Pferde tränkt und im Auenwald entschwindet.

Auwald gibt es an der Elbe tatsächlich. Wir befinden uns aber in Mitteldeutschland, in der ehemaligen DDR, dem protestantischen Sachsen mit seinem moralisch strengen Patron Martin Luther. Das Volk ist eisbein-gestählt und an den Ufern blöken Schafe.

Die Elbe, die ihren Ursprung in Tschechien hat und schon gut 400 km fließt, beginnt an der deutschen Grenze mit der Kilometerzählung neu. Wir starten beim deutschen Stromkilometer 4 in Schmilka. Die Elbe ist ein schmales Flüsschen mit erfreulicher Strömung und knapp 40 Metern Breite. Der Fluss schlängelt sich sogleich durch die sächsische Schweiz an beeindruckenden Felsformationen und der MS Rückenschwimmer vorbei. Am Sonntagnachmittag treibt es viele Ausflügler auf die Elbfähre und in das Panoramarestaurant mit Blick ins Land und auf die Elbe. Der Schiffsverkehr ist rege, aber die netten Sachsen bremsen höflich ihre Motorboote ab, damit wir wellenfrei durchrudern können.


Unsere erste Station auf der historisch reizvolle Route ist Dresden. Im Gegenlicht zeichnen sich die fein ziselierten Türme der Kreuzkirche, der Dreikönigskirche und der Frauenkirche ab, die vom Glanz der Vorkriegszeit zeugen. In aufwändiger Arbeit wurden diese Baudenkmäler aus dem Schutt, den das Bombardement der Alliierten hinterlassen hat, fast originalgetreu wieder aufgebaut. Dazwischen füllen unzählige Neubauten aus den Nachkriegsjahren die Baulücken.

Ein bisschen Kultur gehört zu einer Wanderfahrt, aber im Fokus der Mannschaft steht das kühle Nass: ein erfrischendes Bad in der Elbe, vor allem aber das Bier danach.

Die Abende werden bevorzugt im Biergarten und beim Italiener verbracht. Die Sportlernahrung bewegt sich zwischen Rostbrätle und Pizza. Ein Eis nach dem Tiramisu schließt den Magen.

Am nächsten Tag wird ja wieder gerudert!

Wenn der Tratsch im Boot überhandnimmt, werden 100 Schläge angesagt und als Draufgabe „10 Harte“.
Dem Lagerkoller vorbeugend, wird jeden Abend die Rudermannschaft gelost. Neue Mannschaft, neues Glück.
Nach Dresden endet der Schiffsverkehr. Die Elbe wird zu einem ruhigen, schleusenfreien Ruderparadies, auf dem wir das Wasser nur mit Gänsen, Kormoranen und Reihern teilen. Mit 11km/h rauschen wir Richtung Meissen.
Der Dom ragt stolz in den Himmel und thront über der Elbe. Mit Ausnahme der Porzellanmanufaktur scheint das Städtchen nicht zu florieren. Der Großteil der Häuser außerhalb des Zentrums ist unbewohnt und renovierungsbedürftig. Hier glänzen nur noch Platinkreditkarten, wenn man sich ein echtes Meissenservice leisten möchte.

Die Hitzewelle aus dem Westen rollt mit 38 Grad über Sachsen hinweg und erschlägt uns fast in Torgau, wo sich 1945 in den letzten Kriegstagen Russen und Amerikaner erstmals die Hand reichten.

Wir treffen weder Russen noch Amerikaner, dafür die Bregenzer Wanderrudergruppe, die ab jetzt immer wieder unseren Weg kreuzt.

Kaum ist die Hitze überstanden, erwischt uns das Sommergewitter. Zu Wittenberg steigen wir frisch geduscht aus dem Boot.

Luther lauert an jeder Ecke: Luthereiche, Lutherhaus, Lutheruniversität,
Lutherrestaurant. Sein weiser Rat an uns: ‚Ein Rausch ist zu ertragen, die Trunksucht nicht.‘ Dann Prost!

–>Fotos Elbe27 bis Elbe28

Nach dem längsten und schönsten Rudertag mit unbedeutenden, aber vor Sonne und Hitze schützenden Wolken und einem traumhaften Mittagsstop auf einer ausgedehnten Sandbank erreichen wir unser letztes Quartier. Die Elbterrassen. Ich dachte noch, die Elbterrassen seien der Inbegriff des pulsierenden Bobolebens von Dessau. Dessau, Geburtsstätte von Bauhaus und Wirkungsstätte von Walter Gropius, liegt aber bereits 10 km hinter uns. Statt schicken Barbies mit Aperol Spritz beobachten Oma, Opa und Enkel bei einem Rieseneisbecher unser Landemanöver.

Die Elbterrassen sind ein beliebter Senioren- und Familientreff in Brambach, das in seiner längsten Ausdehnung in 5 Minuten vollständig besichtigt werden kann (inklusive Kirche und Spielplatz, auf dem die rosa Plastikschaukel kinderlos von der Kette hängt).

Wenn sich die Seniorengeburtstagsgesellschaft aufgelöst, sich die Terrasse geleert hat, Ruhe einkehrt und der Blick über das goldgelbe Gras in der Abendsonne streift, dann könnte man auch glauben, man säße am Sambesi und die Tiere der Savanne legen sich zum Schlaf.

–>Fotos Elbe29 bis Elbe37

Die Wanderfahrt in Zahlen: 306 km (Schmilka bis Schönebeck), 14 Ruderer, 7 Rudertage, 3 Boote, 2 Begleiterinnen, 1 super Truppe!

Danke an Walter und Ulrike für die Organisation und an die Fahrer und Bootsleute Christian, Sylvia, Hannes, Birgit, Michael und Erich.

Isabella, 24.7.2022 (Fotos: Isabella, Birgit, Sylvia, Michael, Thomas, Christian, Walter)